Seit Pfingsten sorgt ein Video aus dem Sylter Club „Pony“ für heftige Diskussionen in der deutschen Medienlandschaft. Das Video zeigt junge Frauen und Männer, die zu einem Partyhit fröhlich und ungeniert tanzend rassistische Parolen singen. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln bereits wegen Volksverhetzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, da einer der Feiernden im Video einen Hitlergruß andeutet. Gleichzeitig distanzierten sich mehrere Arbeitgeber von den Äußerungen ihrer Mitarbeiter und kündigten arbeitsrechtliche Schritte an. Zum Teil wurden auch bereits Kündigungen ausgesprochen. Doch sind solche Kündigungen sozial gerechtfertigt?
Rechtliche Einschätzung von Kündigungen
Grundsätzlich gilt, dass das Verhalten eines Arbeitnehmers in seiner Freizeit keinen Anlass für eine verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung bietet, weder für eine außerordentliche fristlose Kündigung noch für eine ordentliche fristgemäße Kündigung. Arbeitnehmer schulden ihrem Arbeitgeber lediglich die ordnungsgemäße Erbringung ihrer Arbeitsleistung. Ein etwaiges Fehlverhalten in der Freizeit beeinflusst diese Pflicht in der Regel nicht. Insbesondere ist eine politische Betätigung in der Freizeit für eine Kündigung unerheblich.
Ausnahmen bestehen jedoch dann, wenn sich das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis und den Arbeitgeber auswirkt. Kann ein im Video gezeigter Arbeitnehmer beispielsweise durch das Tragen der Arbeitskleidung mit seinem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden, könnte dies einen Kündigungsgrund darstellen. Auch sollten Arbeitnehmer, die für ihr Unternehmen als Repräsentationsfigur tätig sind, in ihrem Freizeitverhalten Vorsicht walten lassen.
Das Sylter Video könnte dann einen tauglichen Kündigungsgrund darstellen, wenn dadurch das allgemeine Gebot zur Rücksichtnahme zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verletzt wurde. Hiernach sind Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit verpflichtet, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot könnte im konkreten Fall der durch eine Influencerin gekündigten Mitarbeiterin vorliegen, da das Geschäftsmodell von Influencerinnen darauf beruht, in sozialen Medien und somit in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Das Verhalten der Mitarbeiterin der Influencerin, die aufgrund des Vorfalls in Sylt gekündigt wurde, könnte einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Dies insbesondere deshalb, da die Öffentlichkeit, in die der Vorfall durch das Video getragen wurde, unter Umständen einen Bezug zur Arbeitgeberin herstellen und hierdurch deren Geschäftsinteressen geschädigt werden könnten.
Das Video aus dem Sylter Club liefert, trotz seiner offensichtlichen Verwerflichkeit, gleichwohl wenig Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen könnten, denn das Fehlverhalten in der Freizeit bildet nur in seltenen Fällen die Grundlage einer Kündigung. Arbeitgeber sollten bei der Beurteilung solcher Vorfälle genau prüfen, ob und wie sich das außerdienstliche Verhalten ihrer Mitarbeiter nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Selbst die Bewertung des Verhaltens der Partygäste als Straftat begründet nicht automatisch eine fristlose Kündigung, sollte das Arbeitsverhältnis nicht konkret belastet worden sein.
Fazit
Die Ereignisse im Sylter Club haben zu einer intensiven Diskussion über die Grenzen zwischen privatem Verhalten und gegebenenfalls damit einhergehenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen geführt. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass das Verhalten der Partygäste in der Regel keinen „sicheren“ Kündigungsgrund darstellt. Arbeitgeber müssen bei der Beurteilung solcher Vorfälle genau prüfen, ob und wie sich das außerdienstliche Verhalten ihrer Mitarbeiter nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. In Ausnahmefällen, insbesondere wenn die Mitarbeiter klar als Repräsentanten des Unternehmens erkennbar sind oder wenn das Verhalten die Interessen des Arbeitgebers erheblich missachtet, könnte eine Kündigung gerechtfertigt sein. Generell bleibt jedoch festzuhalten, dass Fehlverhalten in der Freizeit nur in seltenen Fällen eine ausreichende Grundlage für eine Kündigung bietet. Ungeachtet dessen können Arbeitgeber bei entsprechenden (Fehl-)Verhaltensweisen der bei ihnen tätigen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Überlegungen zu einer ordentlichen oder gegebenenfalls auch fristlosen Kündigung selbstverständlich ein Zeichen setzen.
Ein Beitrag von Antonia Obert, juristische Mitarbeiterin unserer Kanzlei, und Dieter Gräf, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht.